Wer in der Veranstaltungsbranche tätig ist, kennt die Initiative #AlarmstufeRot sicherlich schon. Seitdem Corona unseren Alltag begleitet, leiden viele Branchen unter den Folgen, darunter auch die Veranstaltungsbranche. Nahezu jede Großveranstaltung wurde seit März abgesagt. Da die Branche ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit ist, unterstützen wir die Initiative #AlarmstufeRot als Kooperationspartner.
In dem Interview erfahrt ihr wie es um die Veranstaltungsbranche steht und welche konkreten Forderungen die Initiative an die Politik hat. Zudem geht es um kleine Erfolge und einen Ausblick in die Zukunft der Branche.
Viel Spaß beim Lesen!
Seit wann gibt es die Initiative #AlarmstufeRot?
#AlarmstufeRot: Ein Ursprung von #AlarmstufeRot ist die Night of Light, die Nacht der rot angestrahlten Eventlocations am 22.06.2020. Also kurz nachdem klar wurde, dass Lockdown und Veranstaltungsverbot keine Sache von Tagen und Wochen bleiben würden.
Welche konkreten Forderungen habt ihr an die Politik?
#AlarmstufeRot: Wir benötigen in unserer unverschuldeten existenziellen Not dringend Hilfen, um zu überleben. Wir haben Lösungen erarbeitet, wie diese Hilfen aussehen können. Diese haben wir der Regierung als eine Deklaration übergeben. Die Forderungen konzentrieren sich auf sechs Themenfelder: Überbrückungsprogramm ausweiten, Kreditprogramme verbessern, steuerliche Verlustrückträge ermöglichen, Kurzarbeiterregelungen flexibilisieren, die Begrenzung des EU-Beihilferahmens erhöhen und ein permanenter Rettungsdialog zwischen Branche und Regierung. Dies ist wichtig, sinnvoll und zielführend, um die Veranstaltungswirtschaft, tausende Unternehmen und Millionen Arbeitsplätze zu retten.
Habt ihr bereits Erfolge oder Meilensteine durch #AlarmstufeRot erzielt?
#AlarmstufeRot: Ja, definitiv! Es gab zahlreiche Landesdemos und eine große bundesweite Demo in Berlin. Die Demo ist eine Verzweiflungstat. Die Regierung wollte unser Problem bislang nicht wahrnehmen. Niemand hat die Not der Veranstaltungswirtschaft gesehen. Stattdessen sind wir nur Zynismus begegnet. Man sagte uns: „In Deutschland gibt es ein gutes Sicherungssystem. Es heißt Hartz IV.“ oder „Dann müssen Sie eben Insolvenz anmelden.“ oder „Das ist halt unternehmerisches Risiko.“ Diese Situation hat sich nach der Demo verändert. Man nimmt uns wahr und – so glauben wir, auch – ernst. Es gibt Ankündigungen der Regierung, dass es maßgeschneiderte Hilfen für die Veranstaltungswirtschaft geben wird. Aber Minister Altmaier hatte auch für das Überbrückungsprogramm 1 viel versprochen. Das Ergebnis jedoch war schockierend. Wir müssen am 28. Oktober wieder alle auf die Straße, wenn sich schnell was tun soll.
Welche negativen Auswirkungen hat Corona auf die Veranstaltungsbranche?
#AlarmstufeRot: Über 90 Prozent des Wirtschaftszweigs sind seit mehr als sieben Monaten ohne Einnahmen. Die Lage verschärft sich zusehends. Die Branche hat über eine Million direkt Beschäftigte, 170.000 mehr als die Automobilhersteller. Insgesamt werden 130 Mrd. Euro umgesetzt. Mit allen Teil- und Zuliefermärkten werden veranstaltungsbezogene Umsätze von mehr als 264 Mrd. Euro generiert. Ein Beitrag zum BIP von 151,47 Mrd. Euro wird geleistet. Damit ist die Veranstaltungswirtschaft größer als das Bauhauptgewerbe. Die Wirtschaftshilfen reichen auch im aktuellen Phase-II-Programm nicht zum Überleben. Dies liegt u.a. an der Deckelung der Hilfsbeträge auf 50.000 Euro und der mangelnden Anerkennung von Kostenarten wie Abschreibungen, Unternehmensmieten und Personalkosten über 20%. Dies ist insbesondere für die größeren Mittelständler der sehr mittelständischen Branche kritisch. Für die branchenprägenden vielen soloselbstständigen Einzelunternehmer ist die Situation ebenfalls katastrophal. Der Wirtschaftszweig befindet sich seit den jüngsten Verschärfungen der Corona-Maßnahmen in einer noch dramatischeren Lage. In den letzten Tagen sind die Restumsätze eingebrochen. Der Rückgang liegt nun bei 90-100 Prozent. Nach wie vor vermisst die Branche maßgeschneiderte und zielgerichtete Hilfen seitens der Bundesregierung. Dies wird dazu führen, dass ein überaus erfolgreicher Wirtschaftszweig direkt vor dem Aus steht.
Inwiefern wird sich die Veranstaltungsbranche zukünftig durch Corona verändern?
#AlarmstufeRot: Die Branche hatte nie ein strukturelles Problem. Bis zur Krise war sie stets auf Wachstumskurs. Bevor wir darüber reden, was sich ändern wird, muss die Branche jetzt überhaupt erstmal überleben. Klappt das, dann wird nach der Krise Hygiene eine andere Rolle spielen als bisher. Das ist aber kein Problem. Die deutsche Veranstaltungswirtschaft ist weltweit am besten ausgebildet. Auch in der Pandemie gab es bei professionell durchgeführten Veranstaltungen keine Ausbrüche. Im Gegensatz zu illegalen oder unprofessionellen Privatevents. Wir haben valide Lösungen, wie zum Beispiel effektive Schnelltests. Zu erwähnen ist auch die neue IHK-zertifizierte Weiterbildung zum Fachbeauftragten für Hygiene im Veranstaltungswesen. Dieses Tätigkeitsfeld dürfte ein Muss werden im Post-Corona-Veranstaltungswesen.
Wir danken euch noch mal sehr für das Interview und wünschen euch viel Erfolg für die Großdemonstration nächste Woche in Berlin!